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Der Maler und Zeichner Jørgen Zuch

Die deutsche Übersetzung des Klassikers der Kunstsoziologie, Pierre Bourdieus Les règles de l´art“ heißt bekanntlich „Die Regeln der Kunst“. Das ist nicht falsch, freilich auch nicht völlig korrekt. Art bedeutet, vor allem im Mittelalter, im Altfranzösischen, auch „Zunft“ – Dante war Mitglied der „arte degli medici e speciali“, der florentiner Zunft der Ärzte und Apotheker.
Auch die mittelalterlichen Maler, Bildhauer und Schnitzmeister waren zuvörderst, auch wenn die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts diesen Umstand verdunkelt hat, Handwerker. Das handwerkliche, das artesanale Moment steckt in jeder Kunst (und bekanntlich ist auch die moderne Universität, neben der katholischen Kirche das wohl wirkmächtigste Stück Mittelalter in der Gegenwart, nach Zünften, facultates, organisiert).
Jørgen Zuch zeigt uns, wie es sich auch heute noch lohnt, beide Quellen der Kunst, die Inspiration (als das kaum kontrollierbare Chaos) und die erlernbare Technik zu verbinden. Einerseits beherrscht er traditionelle Maltechniken (wie Gouache und Bleistiftzeichnung), andererseits lässt er sich inspirieren: Zum Teil vom zentralasiatischen Buddhismus (auch Mahāyāna – Buddhismus genannt), aber auch von der europäischen Tradition. So ist seine Bleistiftzeichnung „Gefaltet“, wie andere seiner Stillleben, sichtlich von den knittrigen Tischtüchern Cézannes angeregt.
Zum anderen zeigt sich seine Liebe zum erlernbaren Aspekt von Kunst auf jeder Seite, so, wenn er dasselbe Motiv der nackten liegenden Frau („Ostseite“) in zwei traditionellen Techniken behandelt als Gouache und als Bleistiftzeichnung.
Religion, nicht nur die buddhistische, spielt eine große Rolle im Schaffen von Jørgen Zuch: Der Betrachter findet das Tor zu einer buddhistischen Stūpa (also einer Architekturform, die im Theravāda Buddhismus ihren Ursprung hat), auf seiner Bleistiftzeichnung „Die Relation“ aus dem Jahre 2002. In jüngster Zeit bezieht er jedoch die traditionellen Themen der christlich-jüdischen Vorstellungswelt in seine Arbeiten ein. Erkennbar etwa auf seinem Gemälde – in Öltechnik –„Adam und Eva“, im Katalog unter die Rubrik „die Ölheiligen“ gestellt (darf man auch an die „Ölgötzen“ denken?). Um „historisch heilige Szenen“ (Alexandra Stellmacher) handelt es sich dabei ebenso wie auf seiner Zeichnung „Der Gott Mammon“ von 2007: Dort steht er, vom Körper her antikisierend – nackt, am Kopf beinahe Minotauros, beinahe goldenes Kalb, umringt von den Symbolen der großen Religionen (im Gegenuhrzeigersinn): Judentum, Christentum, Hinduismus (Shiva Nataraja), Islam, Buddhismus, die er jedoch mit seiner vielarmigen Gestik allesamt beiseite zu schieben scheint, nur auf sich selbst verweisend. ‚Der wahre Herrscher der Welt bin ich’ scheint er mit aplomb zu verkünden. Ob der Maler von der „religiösen Globalisierung“ des Münchner Theologen Fritz Graf weiß, ist mir nicht bekannt. Immerhin, einen „Europavalokiteshvara“ findet der Betrachter ebenfalls.
Was ist das Spezifikum der Kunst des Jørgen Zuch? Ich bin weit davon entfernt, dies angemessen ausdrücken zu können. Aber doch so viel: Detailfreudig („filigran“)gezeichnete Bilder in traditioneller Technik erhalten eine weitere Bedeutung vor einem spirituellen Hintergrund, der Eigentum des Malers ist. Alexandra Stellmacher hat dies so ausgedrückt: „Konkrete Naturphänomene dienen als Sinnbilder für abstrakte Gedanken- und Erkenntnisprozesse des Individuums.“ Als Beispiele sollen hier die Zeichnungen „Bewegung“ und „Schalten“ angeführt sein.
Technik, Tradition und Innovation – letztlich handelt es sich immer um Bedeutung.
 

Prof. Dr. Jannis Niehoff - Panagiotidis, Freie Universität Berlin